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Channel: Claudia Gerdes – PAGE online
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Zeit für Umbrüche: Das sind die Gestaltungstrends 2023!

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Raus aus eingefahrenen Mustern! Statt zu beklagen, dass gerade alles so ähnlich aussieht, haben wir uns auf die Suche nach den neusten Entwicklungen in Illustration, Web- und Printdesign gemacht

Trend zur Unbestimmtheit: Mit Bildwelten, in denen man sich verlieren kann, lädt Maïté Marque zur Reise in unbekannte Welten ein. Hier in einer Kampagne von studio marcus kraft fürs Zürcher Theaterspektakel.

Es ist immer wieder dasselbe: Auch der schönste visuelle Trend läuft sich irgendwann tot. Und mo­mentan macht sich an vielen Stellen gestalterische Stagnation bemerkbar – beziehungsweise wurden bestimmte Stilmittel bis zum Überdruss ausgereizt. Nehmen wir den angeblich doch so neutralen und zeitlosen Modernismus. Mit Recht gerät er nun als Ausdruck westlicher Dominanz und globaler Vereinheitlichung in die Kritik, ob in Grafik-, Interior Design oder Architektur. Nebenbei gesagt: Die unzähligen Stühle im Eames-Style allerorten kann ich nicht mehr sehen (inklusive derer, die ich selbst zu Hause hab . . .). Auch im Webdesign, das lang als per se innovativ galt, läuft’s viel zu oft nach Schema F. Es dominieren Templates und Endless Scrolling. Weiter, weiter und immer weiter scrollen wir uns durchs Leben – hört das denn niemals auf?

Und was ist mit der Bildgestaltung, wo doch der Fantasie – und inzwischen auch der Technik – keine Grenzen gesetzt sind? Als megaavantgardistisch galten kürzlich noch Face-Filter und schrille Illustratio­nen metallisch oder gläsern glänzender Maschinen­menschen. Allzu gehäuft auftretend, mutieren sie schnell zu Kitsch . . . Noch deutlich mehr 3D-De­sig­ne­r:in­nen haben sich auf mehr oder min­der abs­trak­te Montagen skulpturaler 3D-Elemen­te spezialisiert. Auch nach Jahren sehen die aus, als wollten die Artists bloß erst mal zeigen, wie gut sie unterschiedli­che Oberflächen modellieren können. Legt bitte end­lich los mit kreativen Zaubereien, die auch von der Bildidee her überraschen!

Same same but different?

Zwar immer wieder charmant, aber leider stark über­strapaziert sind jene sympathisch gerundeten Figu­ren mit überlangen Beinen und kleinen Köpfen, die seit Jahren die zweidimensionale Illustration beherr­schen. Ja, diese stilisierten Darstellungen von Menschen entziehen sich problematischen Geschlechts­zuordnungen und Körperidealen, was zu ihrem Siegeszug entscheidend beitrug. Und mit langen Beinen beziehungsweise aus der Low-Angle-Perspektive se­hen auch fülligere Figuren cool aus. Doch ob lie­be­voll analog gepinselt oder als Vektorillus von der Microstock-Plattform – dieser Look begegnet uns inzwischen überall, von der Frauenzeit­schrift übers Kinderbuch bis zur Finanzwerbung.

Es ist teilweise erschreckend, wie einförmig die Illustration geworden ist: Ehrlich gesagt sind viele Zeichner:innen kaum noch voneinander zu unterscheiden. Um in der großen Bilderflut durchzudringen, ist dringend Abwechslung geboten. Wie diese aussieht? Von der Stilisierung führt ein Weg wieder hin zu mehr individuellem zeichnerischem Können, zum Beispiel mit detaillierten Buntstift- oder Kugel­schreiberkunstwerken. Auch »einfache«, cartoon­artige Zeichnungen mit Witz können für verstärk­te Aufmerksamkeit sorgen (Moriz Oberberger zum Beispiel kann das sehr gut).

Illustrationen: Es wird grenzenloser

Vor allem aber fällt derzeit der Trend zu diffuseren, träumerischen Bildwelten ins Auge – in schimmern­dem Airbrush-Look. Anders als bei den bislang so überangesagten, lebenszugewandten Figuren geht es dabei mal romantisch, mal glamourös, mal psychedelisch zu – oder alles zusammen. Statt klarer Li­nien oder Kanten sehen wir weich verschwim­men­de Formen, die oft ins Ungewisse, Mysteriöse aus­ufern, wobei faszinierende Farbspiele entstehen. Ei­ner der spannendsten Vertreter dieser Richtung ist hierzulande Sandro Rybak aus Trier, der das Titelbild für diese PAGE gestaltete. Die Illustration entstand ursprünglich für das Album »Breeze In Breeze Out« von Pressyes und spiegelt Rybaks Faszination für mit­telalterliche Motive wider, die er in zeitgemä­ßem Kontext zu neuem Leben erweckt.

Eine weitere Illustration von Maïté Marque fürs Zürcher Theaterspektakel – mit Räumen, die sich auflösen

Zugleich läutet eine andere wichtige Entwicklung eine neue gestalterische Epoche ein: Die Illustration erlebt einen Riesenschub, was geografische Diversität angeht. Der sogenannte Westen ist nicht mehr alleiniger Trendsetter, Zeichnerinnen und Zeichner aller Kontinente treten mit ihren kulturellen und individuellen Eigenheiten an die Öffentlichkeit. Einige von ihnen stellen wir hier vor. Ein neues Zeitalter bunter Impulse? Hoffen wir, dass diese Vielfalt erhalten bleibt und sich nicht durch zu viel gedankenloses Kopieren wieder einebnet …


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